Genealogie Augustin Schlegel

Der sächsische Bergmann Augustin Schlegel in Alpirsbach und Reinerzau, seine Nachkommen in
diesen und anderen Bergbauorten im Schwarzwald und seine Vorfahren in Sachsen und Böhmen

Der historische Hintergrund: Bergbau im Schwarzwald – ein kurzer Abriss

Im Schwarzwald wurde bereits Ende des 10. Jahrhunderts Bergbau betrieben, eine erste Blüte erreichte er im 13. und 14. Jahrhundert. "Durch den 30jährigen Krieg […] kam der Bergbau in nahezu allen Erzrevieren des Schwarzwalds zum Erliegen. In der übriggebliebenen Bevölkerung gingen die bergmännischen Kenntnisse weitgehend verloren." Ein "reger Betrieb" wurde erst wieder im 18. Jahrhundert aufgenommen. Im fürstenbergischen Wittichen sowie in den benachbarten württembergischen Orten Reinerzau und Alpirsbach wurde der Bergbau, v.a. der Abbau von Kobalt- und Silbererzen, nach 1700/06 wieder betrieben. Im fürstenbergischen Schenkenzell und in Alpirsbach wurden Farbmühlen (Blaufarbenwerke) errichtet, in denen das Kobalterz zu Blaupigmenten für die Farbherstellung (Cobaltblau) gemahlen wurden.
Für die Wiederinbetriebnahme des Bergbaus wurden Fachleute aus Sachsen angeworben. Der wiederaufgenommene Bergbau, v.a. der Kobaltabbau, und der Betrieb der Farbenwerke bewirkten einen Zuzug weiterer Bergleute und anderer Fachkräfte, vor allem aus Sachsen. Dies gilt sowohl für Wittichen als auch für Alpirsbach und Reinerzau sowie sicherlich auch für andere Bergbaureviere im Schwarzwald. In der erneuten Hochphase des Bergbaus im Schwarzwald waren Fachkräfte gefragt, so dass die eingewanderten Bergleute und auch ihre Söhne, sofern sie ebenfalls Bergleute wurden, ein gutes Auskommen fanden. Wohl bedarfsbedingt, denkbar auch wegen besserer Bezahlung, waren viele Bergleute während ihres Arbeitslebens an verschiedenen Orten tätig. Teilweise liegen diese Orte mehr als 20 km voneinander entfernt. Hierbei spielte weder die staatliche Zugehörigkeit, noch die Konfession eine Rolle. Bei abweichender Konfession waren die Bergleute in einer der nächstgelegenen Pfarreien ihrer Konfession eingepfarrt. Spuren der eingewanderten Bergleute bzw. ihrer Nachkommen sind deshalb in den Kirchenbüchern vieler Bergbauorte bzw. benachbarter Pfarreien zu finden. Aufgrund der beschriebenen Wanderungsbewegungen hat ein nicht geringer Teil der Schwarzwälder Vorfahren in Sachsen.

Ausgangsperson, Formales

Einer dieser eingewanderten Bergleute war der aus Johanngeorgenstadt im sächsischen Erzgebirge stammende Augustin Schlegel, der als Bergmann und Steiger in Alpirsbach und Reinerzau tätig war. Über einige seiner Kinder hatte er Nachkommen an mehreren Orten im Schwarzwald. Außerdem kann man anhand dreier seiner Söhne die arbeitsbedingte Mobilität der Menschen der damaligen Zeit nachvollziehen. Seine älteste Tochter gründete in Alpirsbach eine Familie. Sein ältester Sohn war Bergmann in Alpirsbach und später Steiger in Schiltach. Sein zweiter Sohn war Bergmann in Reinerzau und Steiger in Neuenbürg. Eine andere Tochter lebte ebenfalls in Alpirsbach. Ein weiterer Sohn war Bergmann in Neubulach und Gutach (Schwarzwaldbahn), wo er später auch Steiger war, bevor er als Steiger nach Neubulach zurückkehrte. Eine weitere Tochter lebte zeitweise ebenfalls in Neuenbürg. Zu seinen anderen Kindern konnten bisher, auch wegen der schlechten Quellenlage (s.u.), keine Informationen über ihren weiteren Lebensweg gefunden werden.
In diesem Dokument sind die Ergebnisse meiner bisherigen Recherche – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – zusammengestellt. Neben Augustin Schlegel und seinen Kindern sind auch seine Enkel – soweit bekannt – aufgeführt. Dieses Dokument kann somit auch anderen "Verwandten" bei ihrer Ahnenforschung behilflich sein, v.a. auch dort, wo Lücken in der Überlieferung sind oder sich Fehler in die Kirchenbucheinträge eingeschlichen haben, deren Richtigstellung hier beschrieben ist. Ergänzungen und Korrekturen sind willkommen.
Darüber hinaus soll dieses Dokument auch ein Beispiel dafür sein, wie und aus welchen Quellen die Biografie von Bergleuten rekonstruiert und ihre arbeitsbedingte Mobilität erforscht werden kann. Außerdem kann dieses Dokument als Beispiel und Leitfaden bei der Erforschung der Vorfahren aus Sachsen eingewanderter Bergleute dienen.
Alle aufgerührten Personen bzw. kirchliche Handlungen waren evangelisch-lutherischer Konfession. Datumsangaben vor 1582 beziehen sich auf den julianischen, nach 1700 auf den gregorianischen Kalender. An Datumsangaben der Zwischenzeit dazwischen ist jul. für den julianischen, greg. für den gregorianischen Kalender angehängt. Hierbei ist zu beachten, dass die hier zitierten Kirchenbücher aus Platten im böhmischen Erzgebirge aufgrund der habsburgischen Herrschaft bereits nach dem gregorianischen Kalender geführt wurden, die Pfarrei an sich aber noch evangelisch war.

Quellenlage

Als primäre Quellen dienten die Kirchenbücher der jeweiligen evangelischen Pfarreien. Hierbei muss erwähnt werden, dass die Quellenlage in Reinerzau leider sehr schlecht ist. Dem Taufregister 1558-1815 ist zu entnehmen, dass das alte Taufbuch 1737 anfangen nimmer brauchbar geweßen, dann es gar alt geweßen und teils Orthen gar undeutlich ist geschrieben worden, weshalb der damalige Schulmeister Andreas Schwenckh die Einträge bis einschließlich 19. Dezember 1735 auf Anweisung des Pfarrers und des Dekans in das neue Taufregister abgeschrieben hatte. Der Pfarrbeschreibungen 1905 von Reinerzau ist zu entnehmen, dass auch das älteste Eheregister ebenfalls in einem schlechten Zustand war, weshalb die Einträge im Eheregister 1651-1812 bis 1741 Abschriften sind.
Tauf- und Eheregister waren 1737/41 also in einem so schlechten Zustand, dass es als notwendig angesehen wurde, diese Bücher abzuschreiben. Es ist anzunehmen, dass die jüngeren Einträge für evtl. spätere Anliegen (z.B. Nachweis der Abstammung, des Alters, der Ehelichkeit) noch benötigt wurden. Vermutlich ist das erste Eheregister in den Wirren des Dreißigjährigen Krieges verloren gegangen, sonst hätte man wohl auch noch Einträge von vor 1651 abgeschrieben. Das erste überlieferte Totenregister beginnt erst 1747. Vielleicht war auch das alte Totenregister in einem schlechten Zustand, so dass 1747 ein neues angelegt wurde. Anscheinend hatte man aber die älteren Todeseinträge für spätere Anliegen nicht benötigt, vielleicht hatten Todeseinträge auch einen geringeren Wert, als Tauf- und Traueinträge, weshalb das alte Totenregister nicht abgeschrieben und dem Verfall preisgegeben oder gleich weggeworfen wurde. Auch die in solchen Fällen hilfsweise als Quellen heranzuziehenden Konfirmanden- und Kommunikantenregister beginnen leider erst 1756 bzw. 1793.
Die Kirchenbücher der württembergischen und der badischen Landeskirche sind auf archion.de zugänglich. Die Kirchenbücher von Johanngeorgenstadt lagen zum Zeitpunkt meiner dort bezüglichen Recherchen (2010/16) weder mikroverfilmt in einem zentralen Archiv vor, noch standen sie digital zur Verfügung. Deshalb mussten Anfragen an das örtliche Pfarramt gerichtet werden. Einige von Schlegels Vorfahren stammten aus Platten im Königreich Böhmen. Die dortigen Kirchenbücher sind zwar über Digitalisate online zugänglich, jedoch ist in den Taufeinträgen die Mutter und in den Eheeinträgen der Vater des Bräutigams nicht angegeben, was die Forschung deutlich erschwert.
Als Sekundärquellen dienten die Ortssippenbücher (Ortsfamilienbücher) von Reinerzau, Neuenbürg, Neubulach und Freudenstadt sowie ein für das Kirchspiel der Pfarrei Alpirsbach angelegtes Familienverzeichnis.
Weitergehende Einblicke in das Leben von Augustin Schlegel und vereinzelt auch von zweier seiner Söhne, wenn auch meist quellenbedingt im negativen Zusammenhang, gewährt das Protokollbuch für Polizei- und Gerichtssachen 1724-1817 des Bergamts Alpirsbach. "Solange der Bergbau ertragreich war, standen die Bergleute unter der Jurisdiktion der in den einzelnen Revieren amtierenden Bergvögte, Bergmeister oder Bergrichter." Diese urteilten über Verfehlungen wie Trunkenheit, Beleidigungen und Schlägereien, aber auch über Beteiligung an verbotenem Tanzen oder vorehelichen Geschlechtsverkehr. Außerdem befragten sie, zusammen mit dem örtlichen Pfarrer, die Bergleute nach deren Herkunft und Familienstand, wenn diese heiraten wollten. In besagtem Protokollbuch findet man also ähnliche Einträge wie sonst in den Protokollbüchern der Kirchenkonvente, deren Rechtsprechung die Bergleute – wie eben erwähnt – aber nicht unterworfen waren – im Falle von Augustin Schlegel kann eine Abweichung von dieser Regelung festgestellt werden, in den Kirchenkonventsprotokollen von Reinerzau ist ein Fall belegt, in dem er wegen eines kleineren Vergehens vor den Kirchenkonvent zitiert wurde.
Weitere wertvolle Quellen sind die quartalsweise erstellten Bergrechnungen der einzelnen Bergwerke, die teilweise durchgängig über einen längeren Zeitraum, teilweise aber auch nur lückenhaft überliefert sind. Ihnen konnten sowohl zu Augustin Schlegel als auch zu seinen Söhnen Angaben zur Tätigkeit, Umfang der Schichten und Löhnen entnommen werden.

Abkürzungen und genealogische Zeichen

KB = Kirchenbücher
E = Eheregister
Ta = Taufregister
To = Totenregister
M = Mischbuch
KR = Konfirmandenregister
SR = Seelenregister
FR = Familienregister FV = Familienverzeichnis
OSB = Ortssippenbuch
HStAS = Hauptstaatsarchiv Stuttgart
LKAS = Landeskirchliches Archiv Stuttgart
Bd. = Band
Bü. = Büschel
S. = Seite
Bl. = Blatt oSz = ohne Seitenzahlen
r = recto, Vorderseite eines Blattes
v = verso, Rückseite eines Blattes
ebd. = ebenda
∗ = geboren
≈ = getauft
oo = Eheschließung
o-o = uneheliche Verbindung
+ = gestorben
+* = tot geboren
▭ = beerdigt
N.N. = nomen nescio, unbekannter Name
Lkr. = Landkreis
s.o. = siehe oben
s.u. = siehe unten
= Quelle / Anmerkung ein-/ausblenden
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Stand: 08.11.2024

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Wittichen: Tal und Teil des fürstenbergischen Stabes Kaltbrunn (heute Ortsteil von Schenkenzell, Lkr. Rottweil), auch der Name der für Kaltbrunn zuständigen katholischen Pfarrei, die Pfarrkirche war zugleich Klosterkirche des Klarissenklosters Wittichen.
Beides heute Stadteile von Alpirsbach, Lkr. Freudenstadt.
Metz, Rudolf: Gewinnung von Bodenrohstoffen im Schwarzwald. Beiwort zur Karte XI, 10 des Historischen Atlas von Baden-Württemberg, hrsg. von der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg, Stuttgart 1988 (Metz 1988) (https://www.leo-bw.de/media/kgl_atlas/current/delivered/pdf/HABW_11_10.pdf), S. 1, 4 und 7, Zitate S. 4 (überprüfung aller Internetadressen am 01.01.2022).
Vgl. https://schenkenzell.de/buerger/geschichte/geschichte-des-bergbaus und https://de.wikipedia.org/wiki/Wittichen.
Z.B. sind Einträge zu evangelischen Bergleuten im zum katholischen Fürstentum Fürstenberg gehörenden Wittichen in den Kirchenbüchern der zum Herzogtum Württemberg gehörenden evangelischen Pfarreien Alpirsbach, Reinerzau und vereinzelt auch in Schiltach zu finden.
Johanngeorgenstadt: Erzgebirgskreis. Zum geschichtlichen Hintergrund der Stadt und ihrer Bevölkerung siehe hier.
Steiger: Aufsichtsperson, Vorarbeiter, Schichtleiter im Bergbau.
Schiltach: Lkr. Rottweil; Neuenbürg: Enzkreis; Neubulach: Lkr. Calw; Gutach: Ortenaukreis.
Platten: ab 1918 offiziell Bergstadt Platten, heute Horní Blatná im Bezirk Karlovy Vary in Tschechien. Zum geschichtlichen Hintergrund der Stadt und ihrer Bevölkerung siehe hier.
KB Reinerzau, Ta 1558-1815, S. 152.
LKAS, A 29, Nr. 3714, Unter-Nr. 2, S. 23; im Eheregister selbst findet sich kein Hinweis auf diesen Umstand, jedoch ist erkennbar, dass ein einziger Schreiber die Einträge von 1651 bis 1741 eingetragen hatte, die Einträge ab 1742 von einem anderen Schreiber stammen (vgl. KB Reinerzau, M 1651-1812, E 1651-1812, S. 1 – 46 und S. 47f).
LKAS, A 29, Nr. 3714, Unter-Nr. 2, Vorblatt.
An der Situation hat sich seither nichts geändert (Stand: Februar 2022).
http://www.portafontium.eu/contents/register/soap-pn/cirkev-rimskokatolicka/horni-blatna.
Frey, Günther: Ortssippenbuch der Pfarrei Reinerzau. 1558 bis nach 1860. Frankfurt 1994 (OSB Reinerzau).
Hahner, Ernst; Huber, Konstantin: Ortssippenbuch der ehemaligen Oberamtsstadt Neuenbürg mit kirchlichem Filial Waldrennach. Erstellt aufgrund der örtlichen Quellen 1558-1900. Pforzheim 1997 (OSB Neuenbürg).
Clausecker, Heide: Ortssippenbuch Kirchspiel Neubulach. Neubulach mit Talmühle und Station Teinach; Altbulach mit Kohlerstal und Seitzental; Liebelsberg und Oberhaugstett; 1559-1930. Mit Ergänzungen bis in die Neuzeit. Plaidt 2011 (OSB Neubulach).
Frey, Günther: Ortssippenbuch der Stadt Freudenstadt 1600-1820. Freudenstadt 1998 (OSB Freudenstadt).
Albrecht, Georg: Familienverzeichnis der Pfarrei Alpirsbach 1596-1808. Handschriftlich. Alpirsbach, vermutlich 1950er Jahre (FV Alpirsbach = LKAS, KB 2316, Bd. 29 – 31 bzw. entsprechende Digitalisate auf www.archion.de).
HStAS, A 58 a, Bü. 232. Das Protokollbuch ist von mir transkribiert und indexiert worden, siehe hierzu hier.
Metz 1988, S. 2. Für die genauen Bestimmungen für das Herzogtum Württemberg siehe: Allgemeine Bergordnung vom 5. Juli 1498 für das Herzogtum Württemberg, samt Berg-Freiheit vom 27. Juli 1597. Abgedruckt in: Reyscher, August Ludwig (Hrsg.): Vollständige, historisch und kritisch bearbeitete Sammlung der württembergischen Geseze. Band 16,1. Enthaltend die Cameral-Gesetze von 1495 bis 1805. Tübingen 1845, S. 114 – 185 (= https://www.digitale-sammlungen.de/de/view/bsb10552300?page=142,143), hier S. 115, 123, 126, 166 und 176 sowie: Allgemeines Bergwerks-Privilegium vom 9. Mai 1710. Abgedruckt ebenda (= https://www.digitale-sammlungen.de/de/view/bsb10552300?page=552,553), S. 525 – 535, hier S. 530 und 535; vgl. auch Bestallungsschreiben des Bergmeisters Georg David Rueff 2. April 1751: HStAS, A 58 a, Bü. 39, Nr. 6, Schreiben 02.04.1751, S. 2f.
Wobei erwähnt werden muss, dass die Kirchenkonventsprotokolle von Reinerzau erst ab 1756 überliefert sind (LKAS, A 29, Nr. 3714, Unter-Nr. 2, Vorblatt).
Die Bergrechnungen werden entsprechend ihrer Nummer, wo keine vorhanden ist, nach dem jeweiligen Bergquartal (Reminiscere, Trinitatis, Crucis und Luciae) zitiert. Genaueres zu den Bergrechnungen siehe hier.